Gefunden in einer Rezension über den Film „Zusammen ist man weniger allein“:
„Der kalte Winter führt sie zusammen: die begabte Zeichnerin Camille, die sich dem wirklichen Leben verweigert, …“
Nun frage ich mich: Was ist das „wirkliche“ Leben? Und wie unterscheidet es sich vom „unwirklichen“ Leben? Wer darf bestimmen, welches Leben das „wirkliche“ ist?
Gibt es überhaupt ein „unwirkliches“ Leben?
Ich denke, als MediatorInnen – zumindest die mit konstruktivistischem Hintergrund – sollte uns eine derartige Unterscheidung doch etwas seltsam anmuten.
Und was denkt ihr?
Ich frage euch da draußen, die in der „wirklichen“ Welt. Würde mich – hier in meinem kleinen virtuellen Konstrukt – wirklich interessieren 😉
P.S.: Hat den jemand den Film schon gesehen? Lohnt er sich? Einen anderen Film mit Audrey Tautou – Wahnsinnig verliebt – zeigen wir gerne schon mal in unseren Medi-Ausbildungen. Er bietet eine wunderbare Gelegenheit zum Üben des Perspektivenwechsels.
Mit der „Wirklichkeit“ ist das ja so eine Sache. Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber verstehe das so, dass sie wahrscheinlich in einer Traumwelt lebt. Das war ja ählich in „Wahnsinnig verliebt“.
Ein „unwirkliches Leben“ wäre für mich, wenn ich gegebene Tatsachen verschleugne oder mir und anderen etwas vormache, was gar nicht da ist. Berühmte Beispiele: Baron Münchhausen, Hochstapler Felix Krull, Hauptmann von Köpenick.
Hochstabler sind ein interessantes Beispiel, aber ziemlich tricky: Wenn wir von aussen auf die Situation schauen, stellt sie sich doch folgendermaßen da: Der Hochstabler weiß, dass er Schmuh macht, aber die anderen, die er hinter’s Licht führt, halten die Fassade für echt. Wer hat den hier mehr Kontakt zur „wirklichen“ Wirklichkeit?
Gruß, Daniel
Ich schätze milan meint: alles was ein Mensch erlebt ist in diesem Augenblick für IHN (den Menschen) die Wirklichkeit – auch wenn andere ihm an diese Orte des Geschehens nicht folgen können.
Ich meine:
1. Der Kommentar ist ja nicht von Camille verfasst, die ihr Leben unwirklich findet, sondern von einem Kommentator. Dieser hat wiederum – vor dem Hintergrund SEINER Realität – Recht, wenn er meint Camilles Welt sei unwirklich (weil er ihr wie gesagt, nicht dorthin folgen kann)
(Okay, er hätte eine ich-Botschaft senden können und sagen „den in meinen Augen wirklichem Leben“)
2. ich finde es viel interessanter, was aus Sicht des Kommentators unwirklich ist- bzw. welche Wiklichkeit Camille wohl erlebt, die es wert ist, sich einer anderen Wirklichkeit zu verschließen. (Insofern hat der Kommentator seinen Job gut gemacht, wenn sein Ziel war Interesse für den Film zu wecken. Ich habe ihn noch nicht gesehen.)
3. Ich mutmaße, das der Kommentator unter dem wirklichen Leben, den Alltag der Mehrheit der Menschen versteht. So verschieden diese Alltage auch sind – sie bestehen in den meisten Fällen aus irgendeiner Art von sozialen Interaktionen – gewollten wie ungewollten.
Der Lebensinhalt einer Zeichnerin ist es allerdings, eigene Gedanken/Gefühls/etc.-Welten auf z.b. Papier zu reproduzieren – eine meditative, in sich gekehrte Aufgabe. Das heisst sie ist schon in der Arbeit mit sich allein. Sie konstruiert Welten, zu denen nur sie Zugang hat, was sie noch weiter von dem geteilten Leben, oder der geteilten Wirklichkeit, oder dem wirklichen Leben anderer isoliert.
Es folgt Schema F – Unverständnis auf beiden Seiten – Reaktanz bei Camille – aktiver Rückzug und Zuflucht in der „eigenen“ Welt und Sichtweise.
4. An dieser Stelle kommt wahrscheinlich der wundersame Märchenprinz und fungiert als Mediator zwischen Camilles Leben und dem Wirklichen Leben, baut Mauern ab und Verständnis auf, etc…
(Vielleicht sollte ich den Film doch mal sehen…)
Fazit: Ich finde die Unterscheidung unwirklich/wirklich nicht seltsam. Verstehe es eher als Perspektive.
Kennt übrigens jemand den Film „almost famous“ und die Diskussion um „the real world“?
So – das war meine Rekonstruktion der Wirklichkeit 😉 es lebe der Konstruktivismus!
Gruß,
Angie