Der FC Bayern hat den FC Barcelona 2 x geschlagen. Soweit so gut. Aber was sollen diese Schlagzeilen:
Unzählige Headlines, in Zeitungen oder Online-Foren haben den Begriff der „Demütigung“ übernommen. Warum diese Begrifflichkeit bei einem Sportwettkampf?
Wenn ich mir Definitionen von ‚demütigen‘ anschaue, lese ich: „Jemanden in erniedrigender Weise kränken“ oder „Jemanden so behandeln, dass er in seiner Würde und in seinem Stolz verletzt wird“. Trifft das auf einen Sport-Wettkampf zu, der darauf angelegt ist, dass es einen Gewinner und einen Verlierer gibt?
Als ich in den unterschiedlichsten Zeitungen immer wieder diesen Begriff las dachte ich, dass der FC Bayern noch irgendetwas anderes gemacht haben muss als nur dieses Spiel zu gewinnen. Aber das war anscheinend nicht der Fall.
In unseren Mediationsausbildungen beziehen wir uns oft auf die Konfliktdefinition von Glasl. Ich halte sie für sehr dienlich, um einzugrenzen, wann ein sozialer Konflikt vorliegt und wir Methoden der Konfliktlösung oder -regulierung bedürfen.
Wenn Menschen gedemütigt werden, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Konflikt. Also haben wir es hier mit einem Konflikt zu tun?
Glasl nennt in seiner Konfliktdefinition mehrere Kriterien, z.B. mindestens zwei Parteien, die mit unterschiedlichen Zielen oder Interessen agieren, die sich gegenseitig behindern und – wichtig! – dass sich mindestens 1 Partei beeinträchtigt fühlt.
Wenden wir diese Kriterien jetzt auf ein Fußballspiel oder sogar auf einen Boxkampf an – sind das etwa alles Konflikte? Solange fair und entsprechend der Regeln agiert wird möchte ich behaupten Nein. Und warum nicht? Weil m.E. nach keine Beeinträchtigung vorliegt.
Das muss vielleicht näher erklärt werden, denn der Faktor „Beeinträchtigung“ ist essentiell, aber der Begriff ist tricky: Nehmen wir an, ich bin ein friedlicher Mensch und möchte gerne meine Konflikte konstruktiv lösen. Was kann ich tun, wenn mein Fußballspiel als Konflikt angesehen wird? Ich trete ruhig beiseite und lasse die Gegenmannschaft ungehindert auf mein Tor schießen. Der Torwart bleibt natürlich auch untätig, denn er möchte die anderen ja nicht „beeinträchtigen“. Die Gegenmannschaft kann jetzt ungehindert Tore schießen, aber hätte sehr schnell keinen Spaß mehr an dem Spiel, denn ein wesentlicher Zweck des sportlichen Wettkampfs – das Kräftemessen, fände nicht mehr statt.
Ich bin davon überzeugt: Die Mannschaften brauchen und wollen die gegenseitige Behinderung. Sie wollen sich gegen sie behaupten und durchsetzen und damit beweisen, dass sie die besseren sind. Das ist doch Sinn eines Wettkampfs. Also stellt in diesem Fall die Behinderung keine Beeinträchtigung dar, sondern sie ist ein wesentlicher Faktor, der nicht fehlen darf. Und am Ende gibt es meist einen Sieger und einen Verlierer. Und solange fair gekämpft wird hat das m.E. nach überhaupt nichts mit Demütigung zu tun. Wer diesen Begriff in einem sportlichen Wettkampf nutzt, erweist dem Sport einen Bärendienst. Fairness beinhaltet den gegenseitigen Respekt und da hat Demütigung keinen Platz. Und wer einen sportlicher Sieg als ‚Demütigung‘ tituliert, bringt diejenigen Sportler, für die Respekt und Fairness ein hohen Stellenwert hat, in ein moralisches Dilemma und raubt ihnen den gesunden Kampfgeist.
Wenn all die Zeitungen recht hätten und der FC Barcelona tatsächlich gedemütigt wurde, dann liefe m.E. etwas schrecklich schief hier. Denn Erniedrigung und Entwürdigung sollte im Sport weder das Ziel sein noch ein akzeptabler Nebeneffekt. Stattdessen wäre es doch erstrebenswert, sein Bestes zu geben und ehrenhaft zu gewinnen – oder eben auch ehrenhaft zu verlieren.
(Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich denke nicht, dass da irgendetwas auf dem Spielfeld falsch gelaufen ist, sondern lediglich in den Köpfen der Journalisten.)
Hallo, bin kein Bayern-Fan, von sportlicher Seite in dieser Frage also leidenschaftslos. Aber ich finde es auffallend, dass sich solch ein Wort dann in so vielen Medien wiederfindet. Entweder ist das recht gedankenlos von den Reportern oder sie halten diese Sprache sogar für geil. Man muss ja heute immer so reißerisch berichten, damit überhaupt noch was gelesen wird.
Finde es interessant zu überlegen, ob Sport nicht doch auch Konflikte sind. Abgesehen von den vielen Fouls, den Wettbetrügereien, Doping etc. Sport ist so hoch emotional, die Menschen fiebern mit und wenn ihre Mannschaft verliert nehmen die Fans das persönlich. Und gehen dann auf der Straße gegen die gegnerischen Fans los. Das ist schon sehr konfliktträchtig. Könnte mir sogar vorstellen, dass für einige das eigentliche „Spiel“ erst nach dem Spiel auf dem Rasen stattfindet.
Aber vielleicht ist das alles auch nur Ablenkung: gebt dem Volk ‚Brot & Spiele‘ und dann kann die Politik machen was sie will. Wenn ich sehe, wieviele Menschen jeden Samstag in die Stadien rennen und wie wenige zu den Demonstrationen für mehr Gerechtigkeit oder gegen Armut gehen, wundert es mich nicht, dass sich nichts verändert in der Republik. Und das ist ja nicht nur in Deutschland so, sondern in allen Ländern. Fußball ist Nationalstolz. Kein Wunder, wenn die Verlierer sich gedemütigt fühlen.