Mit Priming bezeichnet man in der Psychologie eine subtile, meist unbewusst wirkende Beeinflussung unserer Wahrnehmung, unseres Denkens, Fühlens und Handelns. Dies kann zufällig oder durch gezielt gesetzte Reize geschehen, z.B. durch Wörter oder Metaphern, durch Bilder, Fragen oder auch durch nonverbale Impulse.
„Jedes Verhalten ist Kontext-Verhalten!“
Indem wir „Vor“-Erfahrungen und damit Kontexte gestalten, können wir die Reaktionen von Menschen beeinflussen.
Ein Beispiel, wie wir mit bewusstem Priming in der Mediation arbeiten können:
Konfliktparteien, die in die Mediation kommen, sehen meist im Vordergrund den Konflikt und fokussieren sich auf die konflikthaften Anteile der Beziehung. Wenn sie ihre Beziehung schildern, bekommen wir meistens folgenden Eindruck: Es sieht so aus, als wäre die gesamte Beziehung im roten Bereich.
Wir können jedoch annehmen, dass es (oft) einen begrenzten Konflikt in einem ansonsten gut funktionierenden Kontext gibt. Egal ob im Team, in der Familie oder in der Nachbarschaft. Das Bild sollte daher eigentlich so aussehen:
Um dies zu überprüfen und ggf. ins Bewusstsein zu heben, stellen wir folgende Fragen …
Methodisch mache ich es oft so, dass ich den Parteien je ein grünes Blatt Papier (Din A5-Karton) und einen roten Marker gebe und sie bitte, den Konflikt in Form eines roten Feldes (oder mehrerer roten Felder) zu malen: „Wenn das grüne Blatt die Gesamtheit Ihrer Beziehung darstellen würde – wie groß ist dann der Konflikt, wegen dem Sie hier sind?“ …
Und wenn sie das getan haben: „Und bevor wir gleich über das rote Feld reden – was können Sie mir zuvor über das grüne Feld sagen? Was klappt weiterhin gut bei Ihnen?“
Und dann können die Parteien das auch noch mit einigen Stichworten in das grüne Feld schreiben.
Konkret sieht das dann manchmal so aus:
Abgesehen vom Priming, ist dies eine recht einfache Methode, die Themen der Mediation zu sammeln und sie direkt etwas einzuschätzen.
In Teams kann man die Stärken oder die positiven Anteile in einer ersten Runde oder in einem Vorab-Fragebogen einfach auflisten lassen:
Noch zwei Beispiele, wie wir Priming in der Mediation einsetzen können:
Ressourcen mobilisieren
Wir können bestimmte Fragen stellen, um Konfliktparteien in einen ressourcenvollen oder konstruktiven mentalen Status zu bringen:
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- „Welche besonderen Stärken und Fähigkeiten schätzen Ihre Freunde und Freundinnen an Ihnen?“
- „Können Sie ein Beispiel nennen, wo es Ihnen gut gelungen ist, Konflikte zu lösen?“
- „Welche Fähigkeit sehen oder vermuten Sie bei der anderen Person?“
- „Welche Fähigkeit bräuchten Sie, um den Konflikt gut zu bewältigen?“
Wenn wir Stärken, Ressourcen und Fähigkeiten thematisieren, können wir auch mit Bildern arbeiten. Eine Möglichkeit wäre, vorab ein Bilderset zusammen zu stellen mit Motiven, die für Stärken stehen könnten:
Und da Menschen bei der Benennung der eigenen Fähigkeiten oft zurückhaltend sind („Eigenlob stinkt!“), können wir beim Thema „eigene Stärken“ eine konstruierte „Außensicht“ nutzen; wir können die Aufgabe dann folgendermaßen einleiten: „Angenommen ich frage eine gute Freundin von Ihnen, die Sie sehr gut kennt und Sie wertschätzt, welche besonderen Stärken oder Fähigkeiten sie bei Ihnen wahrnimmt – was würde diese Person dann wohl sagen? Und welche Bilder würde sie vielleicht für Sie auswählen?“
Wenn die Parteien sich kennen, kann man die Frage auch über Kreuz stellen: „Da Sie ja schon einige Zeit miteinander im Team arbeiten (oder seit 3 Jahren ein Paar sind), kennen Sie ja auch sicher die Stärken und Fähigkeiten der anderen Person. Welche dieser Stärken schätzen Sie besonders? Und was sollte die Person in die Mediation einbringen, damit wir hier erfolgreich und zielführend arbeiten können. Bitte wählen Sie doch entsprechende Bilder aus dieser Auswahl.“
Priming in der Lösungsphase
Wenn wir in der Lösungsphase neue Ideen generieren wollen, ist Kreativität gefragt. Wie können wir das kreative Potential der Konfliktparteien mobilisieren? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:
Bevor wir uns den Lösungen für den aktuellen Konflikt zuwenden, sprechen wir über kreative Lösungen für andere Probleme oder für die Problemen anderer Menschen:
- Welche Erfindungen kennen und schätzen oder bewundern Sie?
- Ideen, die die Menschheit weiter gebracht haben …
- Technische Errungenschaften, die wir heute für selbstverständlich halten …
- verrückte Ideen, die sich toll anfühlen, aber nie funktionieren würden …
- Science Fiction – wie sieht die Welt wohl in 50 Jahren aus …
Sie können auch eine Geschichte mit einer kreativen Pointe erzählen, z.B. diese:
Oder wir können den Parteien ein kleines Rätsel vorlegen, bei dem man um die Ecke denken muss. Dieses hier ist mittlerweile recht bekannt, aber man muss doch immer wieder ein bisschen tüfteln:
Seit einiger Zeit habe ich auch ein Bilderset mit witzigen, kreativen Ideen, die ich jedoch hier aus urheberrechtlichen Gründen leider nicht veröffentlichen kann. Aber das Netz ist mittlerweile ja eine unerschöpfliche Quelle für Bilder …
Die Grundidee beim Priming ist immer: Wir machen einen kleinen Abstecher auf ein Nebenthema, dort kommen die Parteien in einen anderen mentalen Status („Kreativität – Juhuu!“) und von dort aus wenden wir uns dem Problem oder der Lösungssuche für unseren Konflikt zu.
Methodische Hinweise, wie wir das Priming-Phänomen in der Mediation nutzen können, ist auch immer wieder Thema in den Hypno-Neuro-Fortbildungen, die ich meist 1x im Jahr anbiete.